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Der wohl bekannteste Radmarathon im Alpenraum führt auf einer Gesamtstrecke von 238 Kilometern mit 5.500 Höhenmetern über vier Alpenpässe. Mehr als 15.000 begeisterte Radrennfahrer bewerben sich jährlich für einen der begehrten Startplätze. Nur 4.000 Teilnehmer können ihren Traum auf zwei Rädern in Sölden verwirklichen.
Bianca Somavilla ist ein absolutes Multitalent. Sowohl als Skibergsteigerin als auch Mountainbikerin erfolgreich, gebührt die größte Leidenschaft der Tirolerin seit vielen Jahren dem Radrennsport. So ist sie 2023 eine Athletin, die bereits fünf Mal den Ötztaler Radmarathon gefahren ist und dabei unterschiedlichste Erfahrungen sammeln konnte. Bisher stehen für sie bei einem der weltweit größten Radevents ein Dritter Platz in der Damen Gesamtwertung (2021) und eine unglaubliche Zeit von 08:13:18 (2019) zu Buche. Uns hat die Skinfit-Athletin geschildert, warum sie dem Mythos Ötztaler nicht widerstehen kann und auch heuer wieder mit freiem Kopf und frischen Beinen am Start in Sölden stehen wird.
So lautet einer der Slogans mit dem medial für den Ötztaler geworben wird. Und tatsächlich, nicht nur im deutschsprachigen Raum, sondern auch in Italien, Belgien und unzähligen weiteren Nationen wird der Ötztaler Radmarathon großgeschrieben. Es bewerben sich jährlich das Vierfache an Teilnehmern auf die streng limitierten Startplätze. Das ist Wahnsinn! Das muss man einmal live erlebt haben. „Ich habe einen Traum“ lautet ein weiterer Slogan. Das Startbanner in Sölden spricht „Guten Morgen! Hier beginnt dein Traum!“. Und so träumen tatsächlich unfassbar viele Menschen davon, den „Ötzi“ einmal zu finishen, ihre Bestmarke zu unterbieten oder aufs Podium zu fahren. Die Strecke ist atemberaubend schön, abwechslungsreich aber auch gnadenlos, hart und gespickt mit unzähligen Herausforderungen. Für 4.000 Teilnehmer fällt der Startschuss um 6:45Uhr im tiroler Ferienort Sölden. Zu Beginn geht es mehr oder weniger gemeinsam mit allen Fahrern in gemächlichem Tempo bis nach Ötz. Dort wartet mit der Auffahrt zum Kühtai der erste lange Anstieg und zugleich der erste Pass. Weiter führt die Radroute über den Brenner von Österreich nach Italien. In Sterzing angekommen, beginnt ein wunderschöner, rhythmischer Anstieg auf den Jaufenpass und anschließend wieder hinunter nach St. Leonhard im Passeiertal. Höhepunkt des Ötztaler Radmarathons ist definitiv der kräftezehrende Schlussakt. Es geht non-stop 29 Kilometer und knapp 1.800 Höhenmeter hinauf zum Timmelsjoch. Die anschließende Zielabfahrt zurück nach Sölden hat es mit einigen kurzen, teils intensiven Gegenanstiegen ebenso noch in sich.
Um den Ötztaler erfolgreich finishen zu können, benötigt es eine gute, sinnvolle und konsequente Vorbereitung, die Passion und Freude am Radsport und vor allem Durchhaltevermögen vor und während des Renntages. Darüber hinaus muss das „Drumherum“ ideal passen. Die Ernährungsstrategie ist essenziell genauso wie die richtige Bekleidung. In den 41 Ausgaben des Ötztaler Radmarathons gab es Tage mit über vierzig Grad in St. Leonhard genauso wie Schneefall am Timmelsjoch. Eine gute Vorbereitung schließt die ideale Bekleidung mit ein. Alle Eventualitäten müssen im Vorfeld in Betracht gezogen und Helfer am Streckenrand entsprechend richtig positioniert werden. Dieses Credo gilt für mich seit der meiner ersten Teilnahme 2016.
Als ich 2016 den Ötztaler Radmarathon zum ersten Mal fuhr, hatte diese Herausforderung etwas ganz Magisches für mich. Ein Ziel, das ich schon lange im Kopf hatte. Das erste Mal ist für mich immer etwas Besonderes. Ich habe damals viel trainiert und fühlte mich super vorbereitet für den Ötzi – ein großer Tag, perfektes Wetter, das ganze Rennen hatten wir stabile Sommertemperaturen. Ich hatte mir "nur" das Finish vorgenommen und erreichte das Ziel in einer Zeit von 8 Stunden 41 Minuten. Wow! Ich war unglaublich stolz und glücklich. An diesem Tag brauchte es für mich nicht mehr.
Ein Jahr später, 2017, geschah genau das Gegenteil. Der Ötztaler Radmarathon wurde für mich lang und zäh, da ich das Kühtai (erster Alpenpass von vier) zu schnell gefahren war und mir anschließend die Energie und Kraft fehlte, um meine bestehende Bestzeit zu unterbieten. Ich hatte mir soviel vorgenommen und wollte unbedingt schneller als im Vorjahr unterwegs sein aber ich wollte auch niemals aufgeben und kämpfte mich durch. Übermüdet und fertig kam ich in Sölden an und Gedanken wie „Warum mache ich das überhaupt?“ und „Nie wieder tue ich mir das an.“ schwirrten durch meinen Kopf. Doch selbst wenn man solche Zweifel unmittelbar nach dem Radmarathon hat, bleibt der Ötztaler immer im Kopf. Es kommt bestimmt der nächste Februar, die Zeit der Voranmeldung und vorallem der Zuversicht. So kam es auch für mich. Es folgte der nächste März mit der Verlosung der Startplätze und somit ein weiterer möglicher Start, den ich hinsichtlich der Geburt meines ersten Sohnes kurzerhand auf 2019 verschieben wollte.
2019 lag nach der Pause viel Anspannung und Vorfreude in der Luft. Bereits ganz früh am Morgen freute ich mich enorm auf den Startschuss des Radmarathons. Körperlich und mental gut vorbereitet, hatte ich beschlossen, den Renntag zu genießen. Herzfrequenzsensor und Wattmesser verwende ich im Rennen allgemein nicht, denn ich kenne meinen Körper sehr gut und ich möchte nur auf meine Gefühle hören. Ich bin mit der Strecke und den Anstiegen des Ötztalers absolut vertraut und versuche deshalb immer so zu fahren, wie es an diesem Tag möglich ist. Es lief gut in den Anstiegen und ich konnte die Bergabpassagen so richtig genießen. Es ist einfach genial, wenn die Straßen gesperrt sind, und man bergab richtig Gas geben kann ohne Angst vor Gegenverkehr haben zu müssen. Bei einem kurzen Anstieg kurz vor Innsbruck verlor ich durch ein Problem mit der Kette vorübergehend meine Gruppe. Ein Schockmoment, denn ich musste anhalten, meine Schaltung wieder rauf geben und der Gruppe hinterher eilen. Am Jaufenpass konnte ich schnell wieder in meinen Rhythmus finden und auf der Passhöhe angekommen, hatte ich sogar noch Power für die Abfahrt und den Anstieg zum Timmelsjoch. Der letzte Anstieg fühlte sich zwar extrem lang und hart an, dennoch fokussierte ich mich darauf, meine Energie zu sammeln und alles zu geben. Ich merkte, dass ich noch Kraft aufbringen konnte. Kraft für die letzten Serpentinen bis zum Tunnel, Kraft für den kurzen Anstieg zur Mautstation und Kraft für die letzten Kilometer bis ins Ziel. Am Ende stand meine neue Bestzeit von 8 Stunden, 13 Minuten und 18 Sekunden.
Nach einem weiteren Jahr Pause (coronabedingt) und der Geburt meines zweiten Sohnes war die Euphorie vor dem Ötzi 2021 sehr groß. Jeder Ötztaler Radmarathon ist außergewöhnliche . Für meine 4. Teilnahme betraf dies vor allem die Wettervorhersage sowie die Streckenführung. Eisigen Temperaturen und einem verregneten, auf den Bergen sogar teils verschneiten Tag sah ich entgegen. Aufgrund eines Felssturzes mussten zudem einige Kilometer der Originalstrecke umfahren werden (länger und mehr Höhenmeter). Für mich wurde mein Ziel im Rennen schnell klar: Es ging mir in erster Linie nicht um meine Zielzeit, sondern ich wollte um eine bestmögliche Platzierung fahren. Nach wenigen Rennstunden im Hauptfeld konnte ich mir einen Überblick über die Situation der ersten Frauen machen. Die Favoritin war vorne weg, danach schien es einige Frauen im ähnlichen Tempo zu geben. Ich war mitten drin, behielt aber meinen Rhythmus konzentriert bei. Der Brenner bedeutet meistens Gruppenfahren. Und so war es auch 2021. Ich fand mich nach der Abfahrt von der Passhöhe schnell in einer ziemlich großen Gruppe wieder und ging mit drei weiteren Frauen in den Anstieg zum Jaufenpass. Ich setzte mich gleich an die zweite Stelle im Gesamtranking und versuchte mein Tempo zu halten, so dass ich meinen Vorsprung weiter ausbauen konnte. Tritt für Tritt kam nicht nur ich dem Tunnel am Timmelsjoch näher. Die Drittplatzierte war mir ganz dicht auf den Fersen, überholte mich und ließ mich buchstäblich stehen. Ich behielt aber trotzdem so gut es ging meine Motivation bei. Schlussendlich trockener als erwartet und überglücklich kam ich als Dritte Dame Overall in Sölden an. Ein Podestplatz beim Ötztaler Radmarathon. Das war unglaublich. Ich war emotional überwältigt und freute mich riesig.
2022 war ein fünfter Start beim Ötztaler Radmarathon geplant. Doch schon früh in der Saison kamen mir Zweifel auf, ob ich meine Leistungen von 2019 und 2021 überhaupt noch toppen könnte. Ich beschäftigte mich sehr stark mit mentalem Training und versuchte mir keinen Leistungsdruck zu machen. Nach (zu) vielen Skimo Rennen und zahlreichen Highlights auf dem Mountainbike, Rennrad und im Ultracycling stand ich 2022 müde und mental auch etwas ausgelaugt an der Startlinie in Sölden. So fühlte ich mich bisher bei keinem meiner Starts. Und trotzdem versuchte ich es zu genießen, die Magie des riesen Events einzusaugen und alles zu geben. Die Beine spielten nicht mit, der Kopf vermutlich auch nicht und so wurde es für mich ein beinharter, langer und strenger Ötztaler Radmarathon mit einem durchaus guten Ergebnis aber dennoch hinter meinen eigenen Ansprüchen zurück. Zum Glück gibt es den Ötztaler Radmarathon jährlich wieder und so auch eine erneute Chance auf Glücksgefühle, Freude, Genugtuung, Frust, Tränen und Überraschungen.