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Schwimmen im freien Gewässer
Im freien Gewässer sicher und schnell unterwegs zu sein ist gar nicht so einfach. Unser Profi Triathlet Andreas Jung erzählt dir hier, worauf du beim Schwimmtraining in freien Gewässern achten solltest und verrät wichtige Tipps und Tricks.
Tipps vom Profi
Unser Triathlon Profi Andreas Jung verbringt zahlreiche Stunden im Wasser und das Thema Technik steht bei ihm sehr weit oben auf der Prioritätenliste. In jeder Schwimmeinheit hat er einen Technikblock in dem er je nach Saisonzeitpunkt unterschiedliche Technikschwerpunkte legt. Während in der Aufbauphase mehr die grundlegenden Schwimmtechniken im Vordergrund stehen, werden im Laufe der Saison mehr und mehr wettkampfspezifische beziehungsweise freiwasserspezifische Fähigkeiten geübt. Denn letzten Endes muss im Wettkampf die beste Leistung abgerufen werden und diese finden in der Regel im offenen Gewässer statt. In diesem Beitrag liefert er dir die wichtigsten Ratschläge sowohl für eine saubere Kraultechnik im Allgemeinen als auch für die wettkampfrelevante Freiwasserfähigkeiten:
Stilistisch sauber und effizient unterwegs
Bevor du dich in die offenen Fluten stürzt, solltest du mit dem Element Wasser gut vertraut sein und dich darin gut bewegen können. Im Schwimmbecken ist das Ufer - der Beckenrand - immer schnell und leicht erreichbar und eine Aufsichtsperson direkt zur Stelle. Im offenen Gewässer sieht das alles ganz anders aus. Um stilistisch sauber und auch sicher im Freiwasser unterwegs zu sein, habe ich die wichtigsten Technik Tipps und Tricks zusammengefasst:
Tipp 1 I Richtig im Wasser liegen
Je weniger Widerstandsfläche du dem Wasser entgegen stellst, desto schneller und effizienter gleitest du durchs Wasser. Absolut entscheidend ist dabei eine gute Wasserlage. Kontinuierliche Beinarbeit, ein stabiler Rumpf und ein Kopf in Verlängerung der Körperachse sind die drei entscheidenden Faktoren. Aktuell arbeite ich selbst daran meine Kopfhaltung zu verbessern. Diese hat einen enormen Einfluss auf die Wasserlage. Es gilt während dem Armzug und vor allem während der Atmung den Kopf stets in der Körperachse zu halten. Denn ein Anheben des Kopfes bedeute automatisch ein Senken der Beine und in der Konsequenz ein ungünstiger Wasserwiderstand. Die Wasserlinie sollte an der Oberseite des Kopfes bei der Atmung idealerweise ihre Position nicht verändern. Auch sollte beim Atmen nur eine Kopfhälfte aus dem Wasser kommen - dies kannst du leicht prüfen indem du beispielsweise bei der Atmung auf der linken Seite das linke Auge schließt. Das geöffnete Auge sollte dann möglichst nur die Unterwasserwelt im Auge behalten.
Tipp 2 I Anstellen des Ellenbogens
Gerade war noch die Rede davon den Wasserwiderstand zu minimieren - schon möchten wir beim zweiten Tipp den Wasserwiderstand maximieren. Denn beim Armzug ist es unser Ziel bei jedem Zug so viel Wasser wie nur möglich zu verdrängen, um den Vortrieb zu maximieren. Neben der richtigen Handposition und Haltung der Finger, setze ich hier den Fokus auf die Unterarmfläche. Um mit dem Unterarm möglichst viel Wasser "greifen" zu können ist ein frühes Anstellen des Ellebogens nötig. Es erfordert viele Trockenübungen um den Bewegungsablauf zu verinnerlichen. Wie bei allen technischen Übungen schadet es hier nicht die Bewegung bewusst im Training zu übertreiben, damit diese später dann auch in der Wettkampfsituation unter Stress umgesetzt werden kann.
Tipp 3 I Druckphase komplett ausnutzen
Neben der Wasserlage und dem Anstellen des Ellenbogens kommen wir zum letzten praktischen Tipp fürs schnelle und effiziente Schwimmen - der kompletten Druckphase. Nachdem der Ellenbogen ordentlich angestellt und die Druckphase durch die Unterarme unterstützt wird, ist es entscheidend dern Arm komplett durch das Wasser zu ziehen bevor der Zug beendet wird. Durch ein frühes Beenden des Armzugs kann ein enormes Potential verloren gehen. Daher immer darauf achten, dass die Handflächen bis zum Austritt aus dem Wasser - bei gestrecktem Arm - so lange wie möglich Druck auf das Wasser ausüben. Hier gilt auch wieder, wie bei der vorherigen Übung, dass ein Übertreiben dieser Bewegung im Training hilfreich sein kann.
Freischwimmen im See und Meer
Tipp 1 I Warm-Up
Bevor es losgehen kann solltest du dich immer gut aufwärmen. Das kannst du am einfachsten mit einem kurzen Lauf am See entlag, mit einem Thera-Band und/oder dem klassischen Armekreisen tun. Wenn das Blut einmal in Wallung ist kann's losgehen und du kannst sichergehen, dass dein Körper für die Belastung gut vorbereitet ist. Insbesondere zu Beginn der Freiwassersaison, wenn viele Seen noch recht frisch sind, wirst du dir für die investierte Zeit zum Aufwärmen danken.
Tipp 2 I Ernährung im Vorfeld
Die letzten zwei Stunden vor deinem Swim solltest du möglichst keine feste Nahrung zu dir nehmen. So stellst du sicher, dass dein Magen den größten Stress der letzten Mahlzeit hinter sich hat und genügend Blut für den Sauerstofftransport in die Muskulatur zur Verfügung steht. Solltest du dennoch kurz vor dem Training Hunger verspüren, ist ein Gel in flüssiger Form ideal dafür geeignet. Das belastet den Magen nicht so sehr wie beispielsweise eine Banane oder ein fester Energieriegel.
Tipp 3 I Einsatz von Vaseline an empfindlichen Stellen
Wenn du schon einmal mit einem Neoprenanzug unterwegs warst, wirst du es kennen: wunde Stellen nach dem Schwimmen. Insbesondere am Hals und um die Schultern kommt es durch die Armbewegung zu Scheuerstellen. Wenn die Stellen einmal offen sind, wird das Tragen des Neoprenanzugs zur Quälerei. Daher solltest du vor allem im Vorfeld eines Wettkampfs die angesprochenen Stellen vor dem Anziehen des Neoprenanzugs mit Vaseline einschmieren. Alternativ kannst du die Schulterpartien durch das Tragen eines Triathloneinteilers schützen - die Halspartie allerdings solltest du immer eincremen. Noch ein weiterer Tipp: zieh dir Einweghandschuhe an - denn mit fettigen Handflächen schwimmt es sich nicht gut.
Tipp 4 I Safety first - Freiwasserschwimmen nur zu zweit und mit Boje
Oft wird das Schwimmen im freien Gewässer belächelt und die möglichen Gefahren unterschätzt. Damit du sicher unterwegs bist, rate ich dir, niemals alleine schwimmen zu gehen. Unbekannte Strömungen, sich veränderte Wetterverhältnisse oder unerwünschte Begegnungen mit wilden Tieren wie beispielsweise Quallen können jederzeit auftreten. In solchen Situationen ist es immer hilfreich, einen Kameraden zur Stelle zu haben, der helfen kann. Im Idealfall seid ihr zu dritt unterwegs. Außerdem macht das Schwimmen dann doppelt oder dreifach so viel Spaß. Zusätzlich könnt ihr euch mit dem Mitführen einer Schwimmboje immer gut sichtbar machen. Unter anderem können in der Boje Wertsachen wie Handy und Schlüssel einfach und sicher mitgeführt werden. Zu guter Letzt ist die Boje auch eine willkommene Auftriebshilfe, wenn man mal eine Pause einlegen möchte.
Tipp 5 I Das richtige Material macht den Unterschied
Auch wenn man beim Freiwasserschwimmen nicht viel "Material" braucht, gibt es doch einige Dinge, auf die man achten sollte damit der Spaßfaktor so groß wie möglich ist. Der Schwimmanzug bzw. Neoprenanzug sollte eine gute Passform haben. D.h. möglichst eng am Körper anliegen, ausreichend Bewegungsfreiheit besonders im Schulterbereich aufweisen und ein schnelles An- und Ausziehen gewährleisten. Viele Neoprenanbieter bieten die Möglichkeit, verschiedene Anzüge zu testen, um den für sich richtigen Anzug zu finden. Einfach im Triathlonverein erkundigen, wann und wo der nächste Test angeboten wird und los geht’s. Noch ein Tipp zum An- und Ausziehen des Neoprenanzugs: zieh dir am besten Handschuhe an – damit kannst du sichergehen, dass du das Neoprenmaterial nicht mit deinen Fingernägeln auf Dauer beschädigst. Neben dem Schwimmanzug gibt es bei der Auswahl der richtigen Schwimmbrille ebenfalls die Qual der Wahl. Da du im Freiwasser oft mit starker Sonneneinstrahlung und vor allem im Wettkampf mit tiefstehender Sonne zu kämpfen hast, lohnt es sich bei der Wahl der Schwimmbrille auf die Qualität der eingesetzten Gläser zu achten. Verspiegelte, verdunkelte und polarisierte Gläser können bei der Orientierung oft den entscheidenden Unterschied machen. Da die Brillengläser gerne nach mehrfachem Tragen anfangen zu beschlagen, empfehle ich den Einsatz eines Anti-Fog Sprays vor dem Swim.
Tipp 6 I Schwimmen im kalten Wasser
Solltest du zu den Ungeduldigen gehören, die den Start der Freiwassersaison nicht abwarten können, habe ich ein paar Tipps für den Kälteschutz: Neben Neoprensocken kann das Tragen von zwei Schwimmkappen den Kopf gut vor der Kälte schützen - denn dort verlierst du am meisten Wärme. Bei extremer Kälte hilft nur eine Neoprenkappe. Für mich allerdings macht das Schwimmen im Freiwasser erst ab ca. 17 bis 18 Grad Sinn und Spaß. Bei kälteren Bedingungen rate ich auf das lokale Hallenband umzudisponieren.
Tipp 7 I Information schlägt Emotion
Je nachdem wo du dich ins kalte oder warme Nass stürzen möchtest, ist es stets ratsam sich im Vorfeld über die Gegebenheiten zu informieren. Das Einholen von ein paar wenigen Informationen reicht aus, damit du dich als Schwimmer sicher fühlen kannst. Zu diesen Informationen gehören im Wesentlichen:
- die Wassertemperatur
- die Ausübungen von anderen Wassersportarten (wie beispielsweise Kitesurfen oder Windsurfen)
- das Fahren von Booten/Fähren
- Entfernungen und Wassertiefen
- gefährliche und wechselnde Strömungen
- gefährliche Tiere wie beispielsweise Quallen oder Haie
Freischwimmen unter Wettkampfbedingungen
Tipp 1 I Streckenchek im Vorfeld
Damit du am Wettkampftag von nichts und niemanden mehr überrascht werden kannst, solltest du die Wettkampfstrecke im Vorfeld, möglichst zur Zeit des geplanten Starts, besichtigen. Achte dabei insbesondere auf den Stand der Sonne. Sollte der Wettkampf an der Küste oder im fließenden Gewässer ausgetragen werden, achte auf die dort herrschenden Strömungen. Dieses Wissen kann später für die strategisch richtige Positionierung an der Startlinie hilfreich sein. Die gesamte Schwimmstrecke und deren genauen Verlauf solltest du dir gut einprägen. Auch solltest du dir genau ansehen, welche Bojen auf welcher Seite passiert werden müssen. Das ist in der Regel durch unterschiedliche Farbgebung von der Rennleitung gut organisiert und markiert. Achtung: Manche Bojen dürfen sowohl links als auch rechts passiert werden, da diese lediglich der Orientierung dienen. Während der "Generalprobe" am Vorwettkampftag solltest du markante Orientierungspunkte an Land suchen, wie beispielsweise einen großen Baum, Haus oder Berg. Das erleichtert dir die Orientierung während des Rennens enorm. Die Besichtigung der Gegebenheiten von Schwimmeinstieg und -ausstieg können auch böse Überraschungen vermeiden. Hier können oft unbekannte Stufen oder Absätze zu Stürzen führen und dein Rennen frühzeitig beenden. Auch die Beschaffenheit des Untergrunds (Gummimatte, Gras, Asphalt, Holz) kann dich überraschen und unnötig Unruhe in die Rennsituation bringen.
Tipp 2 I Posititonierung an der Startlinie
Die Positionierung an der Startlinie ist ein wichtiger Punkt, um den Schwimmabschnitt ordentlich meistern und genießen zu können. Meist haben Triathleten eine bevorzugte Seite auf der geatmet wird. Wenn du bevorzugt auf der rechte Seite atmen solltest, rate ich dir, dich im Starterfeld eher auf der rechten Seite zu positionieren. Dadurch gibt es keine oder nur wenige Athleten, die dir beim Atmen in die Quere kommen können. Weniger Wellen werden verursacht und du schluckst weniger Wasser, was im worst case Magenprobleme durch Salzwasser oder schlechtes Seewasser verursachen kann. Neben der Atemtechnik solltest du auch den Streckenverlauf berücksichtigen. Der Anschwimmwinkel zur ersten Wendeboje kann hier von einer Seite der Startlinie günstiger sein. All diese Einflussfaktoren auf die Positionierung solltest du berücksichtigen und dich am Tag vor dem Rennen klar für deine richtige Position entscheiden.
Tipp 3 I Anschwimmen von Wendebojen
Je länger der Triathlon oder das Langstreckenschwimmen ist, an dem du teilnimmst, desto enger und ruppiger wird es auch auf den ersten Schwimmmeteren zugehen. Sollte die erste Wendeboje nach weniger als hundert Metern bereits anstehen, wird sich das Teilnehmerfeld an diesem Punkt verengen. Das musst du beim Anschwimmen im Voraus berücksichtigen. Driftest du zu weit von der Ideallinie ab - aufgrund von Strömungen oder schlechter Orientierung der Schwimmer an der Spitze - wirst du Schwierigkeiten haben die Boje ohne Zeitverlust und den ein oder anderen Körperkontakt zu passieren. Du solltest dich daher immer mal wieder selbst vergewissern, dass die Schwimmrichtung des Feldes nicht wesentlich vom Idealkurs abweicht.
Tipp 4 I Wettkampfbesprechung und lokale Regeln
Aus meiner Sicht ist es ein absolutes Muss, bei der Wettkampfbesprechung anwesend und aufmerksam zu sein. Dort werden oft wichtige Details bekannt gegeben, die kurzfristig von der Rennleitung geändert wurden und Einfluss auf alle drei Teildisziplinen haben können. Hier wird bekannt gegeben, wo der Neopren- bzw. Schwimmanzug mit Badekappe und Schwimmbrille in der Wechselzone verstaut werden muss. In der Regel gibt es dafür spezielle Wechselbeutel in die all das hinein muss.
Tipp 5 I Allzeit Ruhe bewahren
Im Freiwasser, ohne Kacheln auf dem Boden die bei der Orientierung helfen, kommt es beim Schwimmen im Pulk immer zu ungewolltem Körperkontakt. In einer Wettkampfsituation kann dich das schnell aus dem Konzept bringen und du verbrauchst unnötige Energie und Nerven. Daher mein Tipp an dich: In solchen Situationen wirklich die Ruhe bewahren. Mach dir immer wieder klar, dass der Athlet neben dir es nicht absichtlich macht und es sich um die ersten Meter im Wettkampf handelt.
Tipp 6 I Wasserschatten halten
Im Wettkampf, mit vielen Personen an der Startlinie, wird es in der Regel immer Athleten geben, die schneller schwimmen als du. Das muss nicht unbedingt heißen, dass diese auch das Schwimmen schneller absolvieren. Wenn du in der Lage bist den Wasserschatten sauber zu halten, dann kannst du ohne weiteres mitschwimmen. Das lässt sich auch gut üben, wenn du ohnehin mit anderen gemeinsam im offenen Gewässer regelmäßig trainierst.