et
Gran Fondo - Radmarathons für Jedermann entlang der großen Alpen-Klassiker
Radmarathons gehören seit eh und je zur Königsdisziplin unter den lizenzfreien Radsportwettbewerben. Aus dem italienischen übernommen sprechen wir heute mehr und mehr von Gran Fondos oder Granfondos. Die Radsportveranstaltungen für sogenannte „Jedermänner“ mit Streckenlängen jenseits der 100 Kilometer tragen trotz Breitensportcharakters den Kern der italienischen Radsportszene in sich: wettkampforientiert, gnadenlos und Vollgas von der ersten bis zur letzten Pedalumdrehung.
Als Duathlonprofi hat Michele Paonne viele Jahre in der Weltspitze mitgemischt und den ein oder anderen großen Sieg für sich errungen. Sein Herz schlug dabei vor allem für die zweite Disziplin, das Radfahren. Hingegen des Duathlons als Einzelsportart organisiert sich der Straßenradsport im professionellen Fahrerfeld mehr und mehr in Teams und es ist kein leichtes Unterfangen, in solch einem Team Fuß zu fassen. Vor einigen Jahren ist die Begeisterungswelle für Gran Fondos von Italien über die Alpen geschwappt und hat auch den 35-jährigen Liechtensteiner erfasst. Michele will sich nach wie vor mit den Besten messen. So reizt ihn das zuweilen sehr hohe Niveau der Gran Fondos in Italien, Österreich und der Schweiz. Er liebt das Rennenfahren. An sein Limit zu gehen und seine eigenen Stärken so auszuspielen, dass er immer wieder um den Sieg mitfahren kann.
Was genau ist ein Gran Fondo?
Ein Gran Fondo heute ist nichts anderes als ein Radmarathon, bei dem Jeder lizenzfrei teilnehmen kann, der eine Streckenlänge zwischen 120 und 180 Kilometern oder auch mal über 200 Kilometer auf dem Rennrad bewältigen kann und möchte.
Mit steigender Beliebtheit dieser ursprünglich italienischen Radsportevents bieten mittlerweile auch immer mehr Veranstalter kürzere Strecken um die 80 Kilometer, sogenannte Medio Fondos oder sogar Corto Fondos (kurze Strecken um die 40 Kilometer) an. So ist für jeden Fahrertyp das richtige dabei und am Ende ist es eine große gemeinschaftliche Radparty unter Gleichgesinnten. Bei klassischen italienischen Gran Fondos sind die Rennen durchweg mit unzähligen kurzen steilen Anstiegen gespickt. Im Alpenraum sind es vor allem die vielen Höhenmeter und Alpenpässe, die Gran Fondos zu einer echten Herausforderung machen.
Gestartet wird im Massenstart, Frauen und Männer gemeinsam. Für Frauen ist es schwieriger, sich im Gedränge durchzusetzen und so kommt es nicht selten vor, dass leistungsstarke Frauen einen männlichen Begleiter, den sogenannten Gregario (italienisch für bester Freund, Windschattengeber oder Bodyguard) haben, der den Fahrerinnen über die gesamte Renndauer nicht von der Seite weicht. Bei einem sehr großen Teilnehmerfeld wie bei den bekannten Gran Fondos Ötztaler Radmarathon oder Giro d`Arlberg wird zunehmend auch in unterschiedliche Startblöcke und Startzeiten unterteilt. Dies dient der Sicherheit der Fahrer in der zumeist engen Startzone, steht aber im Kontrast zu den italienischen traditionellen Gran Fondo Massenstart-Events. In anderen Ländern wie bspw. den USA geht die Entwicklung der Gran Fondos sogar soweit, dass bei jüngeren Event-Formen lediglich in den Anstiegen die Zeit genommen wird. Das ist vor allem für diejenigen eine willkommene Option, die auf einen weniger kompetativen Tag in einem organisierten Fahrerfeld aus sind.
Wer ist startberechtigt?
Jeder, der ein Rennrad besitzt und sich das jeweilige Streckenprofil zutraut, kann teilnehmen bzw. sich bei den ganz großen und beliebten Gran Fondos um einen Startplatz bewerben. Oftmals werden bei Events wie dem Ötztaler Radmarathon selbst tausende Startplätze per Los vergeben. Eine ausgewiesene Radlizenz des Nationalverbandes (angehörig dem Weltverband UCI) ist für Breitensportveranstaltungen wie Gran Fondos nicht nötig. Profis und Lizenzfahrer werden hingegen sogar ausgeschlossen. So setzt sich das Teilnehmerfeld weitestgehend aus Amateur- und Hobbyfahrern zusammen. Auch Ex-Profis und junge Radtalente, die es eben nicht in ein Profiteam geschafft haben, erfreuen sich am starken Wettbewerbscharakter von Gran Fondos und suchen dort den Wettstreit Mann gegen Mann bzw. Frau. Ebenso sind Gran Fondos in anderen Ländern wie Italien, Frankreich und Belgien so populär geworden, dass einige Fahrer sich auch aufgrund der steigenden Preisgelder auf diese Langstreckenrennen spezialisiert haben und dies mehr oder weniger professionell oder zumindest semi-professionell (mit einem Teilzeitjob) ohne Lizenz ausüben.
In den ersten Startreihen geht es daher verdammt schnell zu und das Leistungsniveau an der Spitze steht manch einem Profirennen in nichts nach. Für ambitionierte Fahrer und Amateure wie Michele ist es besonders reizvoll, mit oder sogar neben einem der „Halb-Profis“ zu starten. Ganz ähnlich den Ironman Rennen im Triathlon oder den großen Stadtmarathons wie Berlin, Zürich und Wien kann man sich auf derselben Strecke mit „professionelleren“ Fahrern messen. Etwas, das in Radsport üblichen Profi-Rennen nicht möglich ist.
Weiter hinten im Fahrerfeld geht es für tausende Fahrer zuweilen etwas gemütlicher zu und jeder fährt an seinem ganz eigenen Limit, um das Ziel zu erreichen. Für diesen, weitaus größeren Teil des Teilnehmerfeldes geht es mehr um die Sache an sich. Sie wollen innerhalb eines organisierten Wettbewerbs an wunderschönen Orten Rad fahren, sich mit Gleichgesinnten anfreunden und im Anschluss leckere lokale Spezialitäten genießen.
Wo finden die bekanntesten Gran Fondos statt?
Als Ursprungsland der Gran Fondos und Radfahrerland schlechthin kommt man an Italien mit seinen unzähligen Radsportbewerben nicht vorbei. Namentlich kennen sollte man den Gran Fondo Nove Colli, Maratona delle Dolomiti, Gran Fondo Stelvio Santini und den Gran Fondo Milano-Sanremo. Traditionalisten behaupten sogar, nur italienische Radmarathons wären echte Gran Fondos. Aber auch in Österreich, der Schweiz und in Frankreich sowie den USA haben sich Gran Fondos einen Namen gemacht. Zu den bekanntesten Radmarathons im Alpenraum zählen sicher die französischen Cyclosportives wie La Marmotte und Trois Ballons, die österreichischen Berggiganten Ötztaler Radmarathon, Super Giro Dolomiti und Giro d’Arlberg sowie der Engadiner Radmarathon und das Alpenbrevet in der Schweiz. Der Gran Fondo New York in den USA kann als Geheimtipp für eine positive Überraschung sorgen.
Was unterscheidet ein Gran Fondo von einem Strassenrennen wie den World-Tour Klassikern?
Ein Profi-Strassenrennen, wie wir es im TV sehen, ist ein reiner Mannschaftssport für professionelle Berufsfahrer. Jeder hat im Team seine Aufgabe, die er erfüllen muss, um dem Kapitän die bestmögliche Sieg-Chance zu ermöglichen. Bei einem Gran Fondo hingegen starten die besten Fahrer zwar mittlerweile auch für Teams (in Italien sind diese auch sehr professionell organisiert), jeder Radsportler verfolgt aber seine eigenen Interessen und will sich bestmöglichst platzieren. Es ist somit auf der gesamten Strecke ein Kampf Alle gegen Alle, wobei sich nicht selten Fahrer auf gleichem Niveau zusammenfinden und später im Zielraum viele Freundschaften entstehen.
Europa- und Weltmeisterschaften bilden den Rahmen für die besten Gran Fondo Fahrer
Trotz des Breitensport-Charakters haben sich im Laufe der Zeit extrem kompetative Strukturen entwickelt und so entstanden auch Bewerbe, bei denen die besten der Welt zusammenkommen. Seit 2014 kann bei weltweiten Gran Fondos gepunktet und somit die Qualifikation für eine Europa- oder Weltmeisterschaft der Amateure erreicht werden. Die besten Athleten können sich sowohl im Straßenrennen als auch Zeitfahren messen und um die Krone des Europa- und/oder Weltmeisters fahren. So wird auch Skinfit Athlet Michele Paonne im Juni 2023 an der EM und im August 2023 an der WM um die vorderen Plätze mitkämpfen.
Warum ein Gran Fondo absolut empfehlenswert ist?
Du kannst an einem Gran Fondo teilnehmen, weil du als ambitionierter Radfahrer Ruhm und „Reichtum“ erringen und deinen Körper an seine absoluten Grenzen bringen willst oder als passionierter Radler einfach über Strecken radeln magst, die Teil der Radsportgeschichte sind. Alle Gran Fondos bieten dir massenhaft spektakuläre Routen und eine sagenhafte Atmosphäre im Zielbereich. Für alle, die nicht im Alpenraum wohnen, sind sie ein toller Grund, hinzureisen und die Anstiege zu erklimmen, die man sonst nur vom Fernsehen kennt.