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Lawinenarten & Lawinenprobleme
Am 25. Jänner 2019 wurde die Totalphütte im Rätikongebirge an einem sicher gedachten Standort durch eine Staublawine fast zur Gänze zerstört. Selbst Experten konnten, trotz Verwendung verschiedenster Simulationsprogramme, die unheimliche Zerstörungskraft der Lawine nicht berechnen - die Natur schreibt ihre eigenen Gesetze.
Was ist eigentlich eine Staublawine und über welche anderen Lawinenarten sowie Lawinenprobleme solltest du, wenn du auf Tourenski, Schneeschuhen oder zu Fuß im freien Gelände unterwegs bist, immer Bescheid wissen? Wir haben mit dem Vorarlberger Lawinenexperten Werner Walch gesprochen und die wichtigsten Informationen hier für dich zusammengefasst.
Staublawinen. Vorwiegend nicht von Menschen ausgelöste Lawinen, welche nach intensivem trockenem Schneefall beobachtet werden. Sie entstehenm, solange sich Neuschnee noch nicht abgesetzt hat und brechen spontan ab einer Hangneigung von 40 Grad ab. Sie erreichen Geschwindigkeiten von bis zu 250km/h und erzeugen oft starke Luftdruckwellen, wodurch auch Schäden außerhalb der Ablagerungszone verursacht werden können.
Schneebrettlawinen. Lawinen, die durch den Abbruch einer Schneetafel entstehen und entlang einer scharfen Linie quer zum Hang abbrechen. Damit sie ausgelöst werden können, muss ein Schneebrett (gebundener Schnee) über eine Schwachschicht liegen, auf oder mit der das Schneebrett abgleitet. Der Bruch in der flächig verbreiteten Schwachschicht entsteht meist durch eine Zusatzlast wie einem Wintersportler, kann aber auch durch Gewichtszunahme der Schneedecke ausgelöst werden. Schneebrettlawinen sin ab einer Hangneigung von circa 30 Grad möglich, wobei sich die meisten bei einer Neigung von 35 bis 40 Grad lösen. Schneebrettauslösungen sind nur sehr schwer prognostizierbar und circa 95% aller Lawinenunfälle sind auf diese Art zurückzuführen.
Gleitschneelawinen. Zeichnen sich dadurch aus, dass die gesamte Schneedecke auf glattem Boden abgleitet und diesen freilegt. Sind sie noch nicht ganz abgeglitten, erkennt man oft gut sichbare Gleitschneemäuler (auch Fischmäuler genannt). Sie kommen ab einer Hangneigung von 30 Grad vor und können zu jeder Tages- und Nachtzeit abgehen. Je nach Feuchtegehalt der Schneedecke unterscheidet man zwischen nassen und trockenen Gleitschneelawinen. Eine Auslösung durch Wintersportler ist sehr unwahrscheinlich.
Lockerschneelawinen. Lawinen, die aus lockerem ungebundenen Schnee bestehen und sich durch einen punktförmigen Anriss kennzeichnen. Nach ihrer Auslösung - meist durch herabfallende kleine Schnee- oder Felsbrocken - kommt vorerst nur eine kleine Schneemenge in Bewegung.
Durch die Analyse verschiedener Lawinenabgänge, konnten immer wiederkehrende Probleme identifiziert werden. Je nachdem, ob Neuschnee gefallen ist, die Schneedecke von Triebschnee überlagert wird, Schwachschichten in der Altschneedecke bestehen, der Schnee nass ist usw., resultieren typische Lawinenprobleme, von denen sich die zu erwartenden Lawinenarten ableiten lassen:
Neuschneeproblem. Beim Neuschneeproblem ist eine große Neuschneemenge der Haupteinflussfaktor und es können Schneebrett- sowie trockene Lockerschneelawinen spontan sowie künstlich ausgelöst werden. Warte beim Neuschneeproblem am besten, bis sich der Neuschnee stabilisiert hat und verhalte dich während und bis einige Tage nach intensivem Schneefall defensiv.
Triebschneeproblem. Beim Triebschneeproblem wird Schnee vom Wind meist in Rinnen, Mulden und hinter Geländekanten verfrachtet und es können leicht Schneebrettlawinen abgehen. Triebschnee kann sowohl mit, als auch ohne gleichzeitigen Schneefall entstehen und besteht immer aus gebundenem Schnee. Du kannst dieses Problem meist gut erkennen wenn du auf Windzeichen, Triebschneeablagerungen, Rissbildungen, Wummgeräusche, frische Lawinen, Dünen oder Wellen achtest. Sei während des Triebschneeproblems bzw. nach Wind besonders aufmerksam und meide Triebschneeablagerungen vor allem in steilem Gelände.
Altschneeproblem. Wesentliches Kennzeichen eines Altschneeproblems ist das Vorhandensein mindestens einer Schwachschicht in der Schneedecke, wodurch Schneebrettlawinen vor allem künstlich ausgelöst werden können. Eine typische Schwachschicht ist beispielsweise eingeschneiter Oberflächenreif. Dieses Problem kann über Wochen bis Monate und manchmal auch während des ganzen Winters bestehen. Es ist äußerst schwierig bzw. nur durch Schneeprofile und Stabilitätstests erkennbar. Am besten meidest du beim Altschneeproblem große Steilhänge, verhältst dich defensiv und bist vor allem in schneearmen Bereichen sowie am Übergang von schneearm zu schneereich besonders vorsichtig.
Nassschneeproblem. Damit ein Nassschneeproblem entstehen kann, muss die Schneedecke einen bestimmten Wassergehalt aufweisen, der entweder durch hohe Temperaturen, warmen Wind, intensive Strahlung, Regen oder eine hohe Luftfeuchtigkeit zunimmt. Es können nasse Schneebrett- und Lockerschneelawinen vor allem auch spontan abgehen. Du erkennst das Probelm einfach bei beginnendem Regen, an Knollen- und Schneerollenbildung und an einem tiefen Einsinken in die Schneedecke. Beim Nassschneeproblem ist gutest Timing und eine entsprechende Tourenplanung sehr wichtig. Spontante Lawinenabgänge sind am Nachmittag wahrscheinlicher als in der Früh und nach einer klaren und kalten Nacht sind die Tourenbedingungen meist günstiger, als nach warmen und bedeckten Nächten.
Gleitschneeproblem. Beim Gleitschneeproblem gleitet die gesamte Schneedecke auf einer wassergesättigten Schicht auf einem glatten Boden ab. Gleitschneelawinen lösen ausschließlich von selbst aus und sind sehr schwer vorherzusagen, obwohl sie sich meist durch die erwähnten Gleitschneerisse (Fischmäuletr) ankündigen. Da eine Auslösung jederzeit möglich ist, solltest du die Bereiche rund um Gleitschneerisse unbedingt meiden.
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